NSU-Komplex

Liebe Leserinnen und Leser,

Haltestelle Enver-Şimşek Platz

in unserem Projekt geht es um den NSU-Komplex (NSU=Nationalsozialistischer Untergrund). Wir haben dieses Thema gewählt, weil es immer noch zu nah bei uns liegt. Nicht nur die Tatsache, dass viele Menschen um ihr Leben gekommen ist, sondern auch weil niemand das Problem dieses exzessiven Rassismus erkannt hat.  

An unserem Studientag waren wir in zwei verschiedenen Ausstellungen, welche im Zug des Projektes „KEIN Schlussstrich“ zum NSU-Komplex stattfanden. Die eine war im Stadtmuseum von Jena und hieß „End.Täuschung“. Dort ging es vor allem um den Ausstieg aus der rechtsextremen Szene und um verschiedene Erkennungsmerkmale oder Dinge mit denen sich die rechte Szene identifiziert, wie Klamotten, bestimmte Zeichen und Musik (z.B. Rechtsrock). Es war eine kleine, aber interessante Ausstellung, da auch originale Klamotten von ehemaligen Neonazis, die bei einem Austritt aus der rechten Szene abgegeben werden müssen, ausgestellt waren.

Danach waren wir noch in der Villa Rosenthal, wo es eine komplette Ausstellung über die Entstehung, Verlauf und Nachwirkungen des NSU-Komplexes gab. Dort trafen wir auch den Organisator der Ausstellung, welcher sich mit uns vor allem über die Zeitungsberichte unterhielt, die er rausgesucht hatte. Es waren sehr viele Artikel, die sich alle um den NSU-Komplex rankten und wir waren sehr erstaunt, wie viele verschiedene es waren.

Da Jena immer bei den Anfängen des NSU-Komplexes eine Rolle spielen wird, hat die Stadt verschiedene Projekte ins Leben gerufen gehabt, die alle im Rahmen von “KEIN

Schlussstrich“ von Juni bis November in Jena stattfanden. Am 4.11.21, dem Gedenktag für die Opfer des NSU-Komplexes, konnte man in Jena mehrere Gedenkstellen finden, an denen mit Kerzen an die Opfer erinnert wurde, wie zum Beispiel in der Johannisstraße vor der Jungen Gemeinde. Damit man diese schrecklichen Morde nie vergisst, hat die Stadt Jena auch beschlossen, die Haltestelle Damaschkeweg in Winzerla in Enver-Simsek-Platz umzubenennen, nach dem ersten Opfer des NSU-Komplexes.

Enver Şimşek (1961-2000), der Vater von drei Kindern wurde am 9. September 2000 das erste Opfer des NSU. Er wurde an seinem Blumenstand in Nürnberg mit acht Schüssen aus zwei verschiedenen Waffen niedergeschossen und starb zwei Tage später im Krankenhaus.  

Abdurrahim Özüdoğru (1952-2001) wurde am 31. Juni 2001 mit zwei Schüssen in den Kopf ebenfalls in Nürnberg getötet und anschließend für das Bekennervideo des NSU fotografiert. Der 49-jährige Vater einer Tochter arbeitete nach dem Studium des Maschinenbaus als Metallfacharbeiter und betrieb gemeinsam mit seiner Frau in der Nürnberger Südstadt eine Schneiderei.  

Süleyman Taşköprü (1970-2001) wurde nur 31 Jahre alt. Als Kind kam er aus der Türkei nach Deutschland. Er übernahm wenige Monate vor seiner Ermordung den Lebensmittelladen seines Vaters in Hamburg Bahrenfeld. Am 27. Juni 2001 wieder der Vater einer Tochter erschossen.  

Habil Kılıç (1963-2001) zog als junger Mann aus Ankara zu seiner Frau nach München, wo auch die gemeinsame Tochter das Licht der Welt erblickte. Hauptberuflich arbeitete er in der Großmarkthalle. Zudem unterstützte er seine Frau im gemeinsamen Obst- und Gemüseladen, in dem er am 29. August 2001 durch zwei Schüsse ermordet wurde.  

Mehmet Turgut (1977-2004) fünftes NSU-Mordopfer, starb am 25. Februar 2004 durch drei Kopfschüsse vor einem Dönerimbiss in Rostock. Der 25-jährige war erst wenige Wochen zuvor aus Hamburg nach Rostock gezogen.  

İsmail Yaşar (1955-2005) kam als junger Mann nach Deutschland. Nach Heirat und Geburt der beiden Kinder betrieb er in Nürnberg eine Schneiderei und einen Second-Hand-Laden. Gegenüber der Schule seiner Sohns eröffnete er 2002 einen Dönerimbiss. Dort wurde er am 9. Juni 2005 erschossen. Bis zu acht Schüsse wurden auf ihn abgefeuert.  

Theodoros Boulgarides (1964-2005) kam mit seiner Familie 1973 aus Griechenland nach München. Nach Abitur und Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann arbeitete er bei Siemens und der Deutschen Bahn und machte sich später mit einem Schlüsseldienst selbstständig. Am 15. Juni 2005 wurde er in seinem Laden erschossen. Er hinterließ seine Frau und zwei Kinder.  

Mehmet Kubaşık (1966-2006) flüchtete als alevitischer Kurde mit Frau und Tochter 1991 aus der Türkei nach Deutschland und erhielt politisches Asyl. Seine Söhne kamen in Deutschland zur Welt, 2003 nahm die Familie die deutsche Staatsbürgerschaft an. Er machte sich mit einem Kiosk in Dortmund selbstständig, wo er am 6. April 2006 erschossen wurde.  

Halit Yozgat (1985-2006) wurde am 6. April 2006 und damit nur zwei Tage nach Mehmet Kubaşık mit zwei Kopfschüssen in einem von ihm und seinem Vater betriebenen Internetcafé in Kassel getötet. Er wurde in Kassel geboren, ging dort zur Schule und nahm 2003 die deutsche Staatsbürgerschaft an. Er besuchte die Abendschule, um dort das Abitur nachzuholen und danach Informatik zu studieren. Yozgat war das jüngste NSU-Opfer.  

Michéle Kiesewetter (1985-2007) wuchs in Thüringen auf. Sie kam zur Ausbildung nach Baden-Württemberg, die sie mit 19 Jahren als Polizistin abschloss. Sie wurde am 25. April 2007 in Heilbronn erschossen und ist das letzte bislang bekannte NSU-Opfer. Die 22-jährige war mit einem Kollegen im Einsatz, er wurde lebensgefährlich verletzt, überlebte aber. Die Dienstwaffen beider Polizisten wurden später bei Mundlos und Böhnhardt in Eisenach gefunden.  

Der NSU wurde 1999 gegründet und bestand laut Angaben aus drei Personen, Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Sie lernten sich im Jugendclub in Winzerla kennen. Sie tauchten 1998 in Zwickau und Chemnitz bei Komplizen aus der rechtsextremen Szene unter.

Sie töteten 10 Menschen in den Jahren 2000-2007. Noch dazu kamen 43 Mordversuche, drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle. Ihr Umfeld wird auf 100-200 Leute geschätzt, darunter V-Personen unter anderem im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und Funktionäre rechtsextremer Parteien. Die Zahl der Beteiligten und Unterstützer ist sehr umstritten, aber man ist sich sicher, dass diese rassistisch motivierten Morde nicht ohne Hilfe möglich waren. Dazu gab es Listen, auf denen Leute mit Migrationshintergrund standen, doch nicht nur aus Jena und Umgebung, sondern aus ganz Deutschland.

Die Täter wurden im Umkreis der Opfer gesucht und es wurde lang keine Beziehung zwischen den Morden gefunden. Im November 2011, nachdem man den drei Tätern auf der Spur war, fand man Mundlos und Böhnhardt tot in ihrem Wohnwagen, in dem sie auch ihre Waffen lagerten. Der Wohnwagen war abgebrannt und auch von ihrer Zwickauer Wohnung war nicht mehr viel übrig. Um die Vernichtung kümmerte sich Zschäpe, diese sendete auch Videos, auf denen sie ihre Taten öffentlich preisgab. Der NSU-Prozess begann im Mai 2013 in München, Zschäpe wurde am 11.07.2018 zu lebenslanger Haft verurteilt.  

A. B. und J. T.