Die Geschichte vom Walpersberg

Im Geschichtsunterricht erhielten wir eine Auswahl von Orten zum Thema:

Zeugen der Geschichte in unserer Umgebung.

Ich habe mich mit meiner Mitschülerin für den Walpersberg entschieden, weil ich zu den unterirdischen Stollenanlagen schon Interessantes gehört hatte. Die intensive Auseinandersetzung mit den Rahmendaten dieser Zeit hat mich sehr bewegt. Die themenbezogene Literatur weckte mein Interesse für den geschichtlichen Hintergrund der Anlage.

 

Die Rüstungsindustrie am Walpersberg

Nach den Bombenangriffen der Alliierten auf die Rüstungsindustrie Deutschlands suchte die Regierung nach unterirdischen Räumen zur Flugzeug- und Waffenproduktion, vor allem in Thüringen. Doch die  meisten alten Bergwerke und Stollen waren Schieferbergwerke  und nicht geeignet, da sie zu klein oder feucht waren. Der Walpersberg hingegen bot ein geräumiges Stollensystem des ehemaligen Kaolinsandbergwerkes der Porzellanfabrik Kahla von ca. 10 000 Quadratmetern, war trocken und durch ein Säulenstützsystem bereits stabil abgestützt. Zudem war es gut an das Verkehrsnetz angebunden und hatte eine Überlagerung von 60-100 m Buntsandstein, die das unterirdische Werk vor Bombenangriffen schützen sollte. Es entstanden die  REIMAHG-Werke (Reichsmarschall Hermann Göring) am Walpersberg, bei Kramsdorf und in Krölpa.

 

Fritz Sauckel/Generalbevollmächtigter für den Walpersberg

Im Zweiten Weltkrieg gab es großen Mangel an Arbeitskräften, da viele Männer an die Front mussten. Auch in der Rüstungsproduktion suchte man nach einer Lösung. „Die Zurückstellung aller moralischen Bedenken vor allem in Bezug auf die Ausnutzung und Vernichtung von KZ-Häftlingen sowie Fremd- und Zwangsarbeitern, war die Folge.“[1]

Fritz Sauckel war GBA (Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz) mit der Aufgabe, ausländische Arbeitskräfte anzuwerben. Dafür veröffentlichte er 1943 ein Hochglanzmagazin: „Europa arbeitet in Deutschland“, worin die „hervorragende“ deutsche Arbeit angepriesen wurde. Als das Propagandaplatt nicht die gewünschte Menge an Arbeitern herbeilockte, wurden Rekrutierungskommandos losgeschickt, die mit Zwang nachhalfen. Bei Weigerung wurden Strafen verteilt.  Um seinen Machteinfluss zu vergrößern, wollte Sauckel in das Flugzeuggeschäft einsteigen.

 

Am 1. März 1944 war die Entscheidung gefallen: In dem 20 Kilometer langen Stollensystem am Walpersberg wurde ein Flugzeugwerk der Gustloff-Werke untergebracht werden, das die Messerschmitt 262 herstellte. Mit 850 km/h war das Flugzeug ca. 100 km/h schneller als die alliierte Konkurrenz. Im April 1944 beauftragte Sauckel einen Weimarer Architekten mit dem Umbau des Stollensystems. Es wurden Außenbunker zur Endmontage, eine 1km lange Startbahn auf dem Bergrücken und ein Flugzeugaufzug gebaut. Der Bau ging jedoch nicht so gut voran wie gedacht, immer neue Probleme traten auf. Auch der schlechte Gesundheitszustand durch die unmenschliche Behandlung der Zwangsarbeiter sowie schlechte  Wetterverhältnisse verlangsamte den Bau.

Der Plan war, dass pro Monat 1200 Flugzeuge das Werk verlassen sollten.  Letztendlich waren es je nach Quelle nur 17-27 Stück. Es erhielt den Tarnnamen Lachs, um es vor Spionage zu schützen.

 

Die Arbeiter im Leubengrund

Der erste Ankunftstag der meisten Fremd- und Zwangsarbeiter war der 11.4.1944. Mit Gewalt wurden circa 500 Italiener nach Kahla geholt und in umgebauten Gasthäusern untergebracht. Die Unterkünfte reichten jedoch längst nicht für alle Menschen, zumal immer mehr Leute dazukamen. Unter den Arbeitern waren Menschen zwischen 13 und 65 Jahren. Als dies bemängelt wurde, baute man Unterkünfte und eine Versorgungsstation.

Bis 1945 wurden 10.296 ausländische Arbeitskräfte beschäftigt, darunter auch Frauen, Jugendliche und Kinder. Als Unterbringung wurden 28 Lager aufgebaut. Im Leubengrund befanden sich Nummern 4, 5, 6 und 7. Es gab dort ein ausgedehntes Quellgebiet und so war für das Trinkwasser gesorgt.

Zuletzt lebten circa 4000 Menschen im Leubengrund. Aufgrund fehlender Materialien wurden jedoch einige Lager nicht fertig und so mussten viele Arbeiter im Stollen oder in nahen Mühlen untergebracht werden. Etwa ein Drittel der Arbeiter starb an Unterernährung, schlechter Hygiene oder durch Gewalteinwirkung. Als die Opferzahlen zu groß für den Friedhof wurden, wurde ein Massengrab direkt am Lager ausgehoben.

 

Übernahme durch die Amerikaner

Schon 1944 erfuhren die Alliierten durch Aufklärungsflüge von der Baustelle am Walpersberg, da z.T.  Sicherheitsmaßnahmen zur Geheimhaltung nicht eingehalten wurden. So wurde der Berg z. B. nachts von großen Baustrahlern beleuchtet, damit auch im Dunkel weiter gebaut  werden konnte. Es gab die Überlegung, das Werk zu bombardieren, doch als im Frühjahr 1945 die Front bis an die Grenze Thüringens vorgerückt war, beschloss man das Werk lieber unversehrt zu übernehmen.

So wurde das Werk „Lachs“ am 12.04.1945 am Nachmittag von den Amerikanern eingenommen. Sie fanden das Werk verlassen, bzw. menschenleer vor. Sämtliche Betriebsangehörige und Zwangsarbeiter waren geflüchtet. Auch der größte Teil der Akten wurde entweder verbrannt oder sind bis heute verschollen...

 

Der Walpersberg heute

Heute findet man nur noch Ruinen und Trümmer des Werkes am Walpersberg. Die Natur holt sich ihr Land Stück für Stück zurück. Von den Montagebunkern erkennt man nur die Grundrisse und viele Tunneleingänge sind verschüttet. Überall im Wald findet man Betonreste von Lüftungsschächten oder des Flugzeugaufzugs. Die Startbahn ist wieder von Bäumen bewachsen und lässt sich noch durch einen aufgeschütteten Wall erkennen, an dem die Fahrbahn begradigt wurde. Auch die Schneise für den Flugzeugaufzug ist wieder komplett bewaldet. Die unterirdischen Stollen des ehemaligen REIHMAG-Werkes sind für „Normalbürger“ nicht mehr zugänglich. Auch eine Ausnahmegenehmigung zur Erkundung der Stollensysteme ist nicht zu bekommen.

Noch heute gedenkt man am Walpersberg und im Leubengrund der Opfer in jährlichen Gedenkfeiern  oder auf Erinnerungstafeln.

A. F. und R. H.